Also rein theoretisch weiß ich wie das geht mit dem Putzen und so. Ich komme nur manchmal nicht dazu. Und das ist gar nicht so schlimm. Meine Mutter ist da anderer Meinung, aber das ist eine andere Geschichte, geht ja hier um mich. Momentan sieht es bei mir für meine Verhältnisse und Lebensumstände richtig gut aus.
Bis auf den Legoteppich, den Wäscheberg und den Schlitten im Flur, den ich seit März in den Keller bringen möchte – dafür hatte ich bisher keine freien Kapazitäten.
Lebst doch schon oder schleppst du noch?
Geschweige denn eine Hand, auch keine Achselhöhle, keine Hüftwölbung und kein Kinn frei. In den letzten Jahren habe ich unfassbar viele Dinge in unglaublichen akrobatischen Verrenkungen entweder in oder aus meiner Wohnung heraus transportiert. Auch diesen Schlitten habe ich mal mit Kind und Einkauf in den zweiten Stock gewuchtet. Ich könnte im chinesischen Staatszirkus anheuern (wo ist übrigens dieses scharfe Suzy Wong Kleid?). Viele Jahre war ich die 1000 armige Mutti-Task-Göttin. Einigermaßen anmutig, nie mit leeren Händen, immer bis zum Anschlag beladen mit Zeug oder to do’s.
Dabei sparst du als Mutter besser Energie und lässt mal was stehen (NICHT das Kind im Treppenhaus). Bestes Beispiel unser Schlitten: Der steht im Wonnemonat Mai immer noch im Flur rum, ist aber inzwischen zum Schlüsselbrett geworden, sieht aus wie ein teurer Design-Streich und ist mein Verbündeter im Kampf gegen das Chaos.
Burn Mutti Burn oder was passiert, wenn zuviel passiert:
Wenn ich keine Prioritäten setze, und Pausen mache, falle ich nämlich irgendwann um, oder sage Sachen, für die vor einigen Jahren die Supernanny von RTL in diversen Brennpunkt-Haushalten anrücken musste. Überlastungs-Tourette sage ich dazu gern. Hatte ich alles schon – also nicht Katja Saalfrank in der Wohnung, aber das andere. Mich ereilte der Mutti-Burn-Out. Dagegen ist der gesellschaftlich tolerierte Manager-Burn-Out ein Männerschnupfen.
Alleinerziehende Mütter erkranken häufiger daran, weil ihnen umständehalber sehr oft Job, Haus- und Erziehungsarbeit über den Kopf wachsen. “Kannst Du mal bitte übernehmen” sage ich höchstens zum Kind, manchmal zur Oma, selten zu anderen Müttern und leider gar nicht zu einem 1,90 m großen Mann, der daraufhin mich und den Einkauf in den 2. Stock trägt. Soweit so gar nicht gut:
Alleingelassen aber nicht allein: Wenn der Partner streikt:
Das doofe Allein für alles zuständig Gefühl kennen tatsächlich auch viele Mütter mit Partnern. Gestern habe ich einen Artikel darüber gelesen. Titel: Wenn Mama sich mal wieder alleinerziehend fühlt – trotz Mann. Achtung: Es gibt Extrem-Alleinerziehende die beim Lesen solcher Schlagzeilen sofort hohen Blutdruck bekommen, weil sie finden so ein Vergleich geht gar nicht oder hinkt, weil zuständig nicht das gleiche ist wie verantwortlich? ATMEN! Ich rege mich darüber nicht auf. Mir tut das leid und richtig weh. Mehr noch ich bin in Panik. Das ist ein globales Problem, machen wir uns nichts vor – Macker haben Konjunktur:
Donald Trump ist jetzt der mächtigste Mann der Welt, der hat doch noch nie in seinem Leben zuhause die Spülmaschine ausgeräumt (ok sie auch nicht, aber das ist wieder eine andere Geschichte). Zur Mobilisierung von Melania, Massen und Müttern (und Wiederherstellung der natürlichen Weltordnung = Gleichberechtigung) braucht es vor allem zwei Dinge: SOLIDARITÄT und MITGEFÜHL.
Partnerschaftlichkeit, Rollenverteilung und Mr. Right:
Dieses “Ich-muss-alles-alleine-machen-und-pfeife-auf-dem-letzten-Loch”-Gefühl sollte keine Mutter haben. Egal aus welcher Schicht und in welchem Beziehungsstatus sie sich befindet. Erziehung-und Hausarbeit ist in Deutschland immer noch automatisch und mehrheitlich Frauensache? Ich kenne das ja alles nur rein theoretisch. Rein praktisch gehe ich aber mit offenen Augen durch Prenzlauer Berg und Mitte:
Das Problem, das in diesem Artikel beschrieben wird, scheint mir ziemlich verbreitet. Geht es um Kinder und Haushalt siehst du meist Frauen: Morgens und Nachmittags vor der Kita/Schule, im Supermarkt, in der LPG, beim Kinderarzt, auf dem Spielplatz, in der Sporthalle, der Musikschule. Höchstens am Wochenende sind mehr Männer mit Kindern unterwegs (weswegen ich ja dann Supermärkte meide, weil ich ständig gefragt werde, wo etwas steht). Es ist irgendwie wie damals in dieser unsäglichen Staubsaugerwerbung:
Der Anteil von weiblichen Vorständen in erfolgreichen kleinen Familienunternehmen ist auch im Jahr 2017 nach wie vor auf Rekordniveau. Und das wird erstmal so bleiben.
Warum der Wäschestapel Scheidungsgrund Nummer 1 ist:
Komischerweise erhöhen Männer in Deutschland in der Regel ihre Arbeitszeit, wenn die Kinder kommen, habe ich gerade während eines Vortrages gehört. Ist das normal? Hätte ich die Wahl zwischen länger arbeiten oder Wäsche falten, müsste ich nicht lange überlegen. Ich hätte in jedem Fall eine(n) HaushälterIn.
Mal laut gedacht: Ist eine(r) automatisch für alles mit Haushalt und Kind zuständig in einer Partnerschaft, weil ein anderer mehr Kohle verdient, oder mehr Stunden im Büro arbeitet?
Würde ich das mitmachen, wenn ich einen Partner hätte, und stillschweigend einen großen Posten im Familienbudget für die Erhaltung meiner Gesundheit (u.a privaten Tangounterricht im Wäschekeller und ausreichend gekühlten Crémant d’Alsace) einplanen?
Rein theoretisch ist das alles kein Problem:
Ich würde in jedem Fall garantiert nicht schweigen (können), wenn mir dieses Arrangement nach einiger Zeit auf die Nerven geht (= ich würde irgendwann platzen). Aber wenn der andere dann nichts ändern will? Wie würde ich mit so einer Verweigerungshaltung umgehen? Ist mir ja nicht fremd. Mein Kind hat auch auf viele Sachen keinen Bock, klappt dann meistens ganz gut, wenn ich es mit Humor nehme. Plötzlich geht einiges doch. Manchmal geht es auch voll in die Hose. So ist das halt.
Versuch macht immer klug: Diese Taktik würde ich bei einem Care-Arbeits-Verweigerer anwenden. Nehmen wir doch mal diesen Mann aus dem Artikel als Best Practice Beispiel. Ich zitiere:
“Sie liegen beide nachts noch wach im Bett, und sie überlegt, ob sie ihm sagen soll, dass die Waschmaschine noch ausgeräumt werden muss, weil die Wäsche über Nacht nicht nass in der Trommel liegen soll. Minuten später steht sie auf und macht es selbst. Gibt sonst nur Stress”.
Also wenn das tatsächlich Mr. Right wäre, der neben mir nachts noch wach im Bett liegt, dann kann ich den doch ansprechen? Also rein theoretisch und praktisch? Bin ja ein bisschen raus. Ich würde ihm zärtlich auf die Schulter tippen (schafft Beziehung) und sagen:
Du ich hab gehört, wenn man sich mit dem Kopf in die Waschmaschine legt, schläft man viel erholter, allerdings müsstest du vorher noch die Wäsche aus der Trommel holen und aufhängen. Vielleicht komm ich später auch noch dazu. Geh schon mal vor.
Der Satz mit dem “vielleicht …” muss unbedingt sein – Cliffhanger (WICHTIG) ich zitiere weiter:
“Als sie sich wieder hingelegt hat und er schon schläft, geht sie im Kopf die Liste für den morgigen Tag durch. Die Kinder zum Kindergarten fahren, auf dem Weg zur Arbeit noch beim Arzt vorbei, das Attest abholen, der Babysitterin Bescheid sagen, dass Sohn Anton alle zwei Stunden die Salbe braucht.”
Wenn Mr. Right also von der Waschmaschine zurückkommt, weil er a) nicht in die Trommel passt, b) meinen Humor versteht, c) sich fragt wo ich bin, und er mich d) vermisst, weil er sonst nicht mir Kinder in die Welt gesetzt oder eine Familie gegründet hätte, wäre ich wahrscheinlich schon im Tiefschlaf. Ist ja bei vielen Paaren mit Kindern so, hab ich gehört, dafür hab ich vollstes Verständnis (ich bin schon mal bei LIDL an der Kasse eingeschlafen und auf der Couch als ich gutaussehenden Herrenbesuch hatte).
Zurück zu Mr. Right: Vor meiner Tiefschlafphase hätte ich ihm noch die aktuelle to do Liste auf sein Kopfkissen gelegt, eine Kopie davon ging als Foto an seine private E-Mail, an seinen Firmenaccount, cc an seine Assistentin, die allgemeine Info-Adresse, bcc an seine Mutter und rein prophylaktisch hätte ich die Tabelle noch bei Google Drive als Excel Tabelle hochgeladen, falls Anton über Nacht plötzlich jede Stunde Salbe braucht. Könnte mein “Partner” dann morgens leicht ändern, weil ich ich rein zufällig endlich wieder mal ein Ganzkörper-Peeling unter der Dusche mache (würde ich ihm aber erst eröffnen, wenn ich vollgeschmiert bin).
Zum Abschluss lasse ich einen Mann zu Wort kommen – ich zitiere noch einmal aus dem Artikel in der WAZ (Carolin Rosales):
„In Deutschland gehen Männer und Frauen als modernes Paar in den Kreißsaal hinein und kommen als 50er-Jahre-Paar wieder heraus“, fasste es Jakob Hein, Schriftsteller und ehemaliger Väterbeauftragte der Charité, zusammen.
Und nun sinke ich in den verdienten Tiefschlaf ( Freitag 20:23 Uhr).
Fee Linke
27. Mai 2017 — 10:55
Danke für diese wundervolle Kolumne. Ich hab SATC nie wirklich geguckt, aber ich glaube, die Hauptfigur heißt Carrie Bradshaw. Richtig? Na jedenfalls bist du meine Carrie Bradshaw für Alleinerziehende und andere Mütter.