Freitag war ich auf einem Vortrag von Dr. Alexandra Widmer und ihrem Projekt Stark und Alleinerziehend. Ich trug eine grüne Mütze auf dem Kopf und pfiff energetisch auf den letzten Loch, weil wieder mal alles schief ging. Trotzdem schaffte ich es rechtzeitig hin: Sogar mit unmöglichen weil ungewaschenen Haaren. Frauen wie du und ich und auch manche Männer, die ihre Kinder alleine erziehen, kennen das (alleinerziehende Väter vielleicht weniger das mit den Haaren?). Es kommt in jedem Fall oft anders als man denkt – man muss Prioritäten setzten und manchmal auch die Mütze auf. Diese Taktik – MML = Mut zur Mütze und Lücke – hat sich in den letzten zwei Jahren sehr bewährt. Zumal gute Haartönungen inzwischen wahnwitzig viel kosten.

Die perfekte Fassade braucht man nicht

In meinem alten polierten Leben vor 2014 wäre ich bestimmt nicht zu diesem Vortrag gegangen. Schlimme Haare und die Aussicht auf einen total gestressten Teint hießen bei mir: Ich bleibe schön zuhause. So gehe ich nicht raus. Was würden wohl die Leute denken?

Ja so war das oft, bevor mir das Leben, das Universum oder wer auch immer eine kleine Denkpause verordnet haben. Mein von Kindesbeinen an verinnerlichter allerliebster Glaubenssatz war: Immer Haltung bewahren, 150 % geben – keine Schwäche zeigen.

Eine Mutter schafft alles. Und ich sowieso. Immer. Alles. Jeden.

Ich denke damit bin ich nicht allein: Das Leugnen von Schwäche und Bewahren von Haltung alias der perfekten Fassade – sind weitverbreitete Überlebenstaktiken vor allem unter Alleinerziehenden. Sie machen allerdings das Gegenteil von dem was wir gerne hätten: Sie machen uns schwach, im schlimmsten Fall krank und isolieren uns, mehr als wir es eigentlich sowieso schon sind.

Alleinerziehende sind wie der Name so schön sagt: Sie erfüllen vorwiegend ohne Hilfe und klaglos ihre Pflicht. Ich kenne das alles nur zu gut. Die Stimmung ändert sich zum Glück gerade. Und ich selbst mich auch. Zweimal Hurra.

Was von uns bleibt: Gesundheit, Rente und der Rest

In letzter Zeit beschäftige ich mich sehr viel damit, wer wir sind, was wir tun und vor allem was uns irgendwann mal übrig bleibt von diesem Lebensmodell. Zum Beispiel, wenn der Brief von der Deutschen Rentenversicherung kommt, da denke ich jedenfalls:

Alleinerziehende sind Deutschlands neue Trümmerfrauen (damit will ich nicht schmälern, was diese Frauen geleistet haben).

Laut Statistik sind wir Alleinerziehenden zwei Millionen. Total verschieden, aber mit ähnlichen Problemen: Ob du einen Job hast oder nicht, ob du studiert hast oder nicht: Die Herausforderung als alleinerziehende Mutter oder Vater 24 Stunden am Tag für die Kinder da und verantwortlich zu sein, ist immer gleich hoch. Das wurde mir in der Diskussionsrunde, die sich an den sehr guten Vortrag von Dr. Alexandra Widmer anschloss auch noch einmal klar.

Und noch eines fiel mir wieder auf: Alleinerziehende treten viel zu wenig in Erscheinung. Es waren 42 Zuhörer anwesend. Mich störte das mehr als die Vortragende (Hinweis an mich Perfektionsanspruch weiterbearbeiten).

Stark und Alleinerziehend: Ein Buch und Strategien

Dr. Alexandra Widmer kenne ich schon länger. Ich folge Ihrer Seite auf Facebook. Sie ist alleinerziehend und lebt mit zwei Töchtern in Hamburg. Obwohl sie als Therapeutin arbeitet, traf sie die Keule genau wie jede oder jeden von uns. Aber sie war nicht bereit sich damit abzufinden. Sie entwickelte Strategien, die ihr und Betroffenen helfen sollen mit der Situation und uns gut umzugehen. Das unterscheidet sie von uns denke ich:

In der Regel gehen wir eher gern so lange zum Brunnen bis der Teint bröckelt oder bricht.

Wir laden uns mehr auf, als wir bewältigen können. Wir sind erschöpft, nervös und wenn es ganz dick kommt, werden wir krank. Unser Körper zeigt uns eine gelbe Karte. Und spätestens bei der zweiten gelben Karte heißt es: Wir sind raus. In meinem Fall fühlte sich das sehr seltsam an. Ich kam mir vor wie ein aus dem Energierad gefallener Hochleistungs-Hamster. Irgendwann hörte ich auf zu strampeln und legte ich mich eine lange Weile hin. Unter anderem auf eine lila Yogamatte.

Yoga und was sonst noch helfen kann: Wünsche und Forderungen

Yoga sollte jeder machen. Viel und oft. Davon bin ich überzeugt, keine Mutter und kein Vater darf auf Kosten seiner Gesundheit den Alltag mit Kind bewältigen. Das muss auch niemand. Ich hätte das im Übrigen auch nicht gemusst, aber ich habe es zugelassen. Der Moment in dem alles zu viel war und ich zum ersten Mal laut sagte: Ich kann nicht mehr, war eine lebensrettende Sofortmaßnahme für mich selbst. Und für mein Kind natürlich auch.

Soweit muss es bei niemanden kommen.

Alexandra Widmers Arbeit und ihr Buch sind wichtige Hilfen für alle Alleinerziehenden.

Selbst für mich alten Hasen sind ihre Ratschläge inspirierend. Ich würde das Buch jeder Krankenkasse ans Herz legen. Und der Familienministerin und dem Gesundheitsminister auf den Schreibtisch (oder besser ihren Bürovorstehern sorry Insider Info ich war mal wichtig). Das Buch gibt wertvolle Hinweise wie wirksame, zeitgemäße Unterstützung für Alleinerziehende aussehen könnte.

Ja da ist einiges zu tun liebe Politiker und Gesundheitslobby:

Die Mutter Kind Kur ist ein behäbiges Fossil aus der Wirtschaftswunderzeit. Da hatten die Trümmerfrauen schon nix davon. Sie fängt uns auf, wenn wir schon in den Seilen hängen. Und wir sollen doch recht lange in die Rentenkasse einzahlen!

Hilfe muss viel früher kommen, leichter zugänglich sein und nachhaltiger in den Alltag integriert werden. Das spart dem Gesundheitssystem garantiert Kosten. Ein Argument das jedem Politiker ein seliges Lächeln auf die schmalen Lippen zaubert. So ein ganz besonderes, das man sonst nur bei Amtseinführungen sieht! Echt.

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Und das Buch könnt ihr bei Amazon bestellen (kein Affilate Link liebes Finanzamt)