Neulich habe ich einen kritischen Kommentar im Blog kassiert. Passiert. Als ich ihn las, saß ich gerade im U Bahnhof und wartete auf die nächste Bahn. Eine Frau namens Daniela schrieb:
Auch wenn jetzt gleich der Shitstorm losgeht, ich finde das ewige Gejammer von den arbeitenden Müttern langsam nervig. Meine Meinung (ja ! wir leben in einer Demokratie und da darf man auch Meinungen äußern, die nicht dem Main Stream entsprechen !) ist , dass frau sich entscheiden muss, was sie möchte: Kinder oder Karriere. Beides funktioniert nicht, da immer eines von beiden auf der Strecke bleiben wird. Ist es die Karriere schadet es nur dem Ego der Mutter, ist es das Kind, schadet es u.U. der ganzen Gesellschaft…
Ich habe mich für die Karriere und gegen Kinder entschieden. Pflege aber jetzt schon seit geraumer Zeit meine Eltern und da kommt niemand auf die Idee mir irgendwelche Vergünstigungen wie den Müttern zu gewähren, obwohl mein Einsatz sicherlich nicht weniger anstrengend ist.
Bei uns werden sogar Mütter während der Elternzeit befördert, obwohl sie in den letzten drei Jahren nicht einen einzigen Tag gearbeitet haben. Erklärt das mal denjenigen, die in diesen drei Jahren sich jeden Tag den Allerwertesten aufgerissen und täglich Überstunden gemacht haben…
Mein Arbeitgeber ist gegenüber von Müttern unendlich tolerant, jede darf ihr eigenes Teilzeitmodel gestalten. Aber wer muss die Vertretung für die lieben Kolleginnen machen, wenn mal wieder Sonderurlaub wegen Krankheit es Kindes oder die Mutter Kind Kur (immer wieder gerne) genommen wird? Das sind doch dann die lieben Kollegen, die mal auf die Schnelle und unvorbereitet einen wichtigen Kundentermin übernehmen müssen. Das nehmen die meisten Mütter und auch Arbeitgeber leider als selbstverständlich hin..
Ich war sauer. So ein Kommentar von einer Frau und dann auch noch unter meinem “stolzesten” Blog Artikel, der bisher 2.700 geteilt wurde und mir immerhin 3 Tage Internetruhm bescherte.
Die kindliche Kaiserin: Schmollen 4.0:
Ich fühlte mich verkannt und unverstanden. Wenn das wenigstens ein 45 Jähriger kinderloser Mann geschrieben hätte, der die AfD wählt und noch bei seiner Mutter lebt, aber nein: D.A.N.I.E.L.A stand da. Wieso müssen Frauen anderen Frauen so etwas schreiben: Kinder oder Karriere – und warum trifft uns Kritik vom gleichen Geschlecht schlimmer als die Steinzeitkeule eines paarungsbereiten unterbelichteten Neandertalers, der uns in die Höhle ziehen will? Doch – ist so, bei mir jedenfalls:
Im ersten Moment wollte ich eine sehr wütende Antwort tippen. Eine Mischung aus verletztem Stolz, Enttäuschung und latentem Mangel an bösen Kohlehydraten erweckte die schmollende mit dem Fuß aufstampfende kindliche Kaiserin in mir. Ich wollte Daniela aus der Kommentarspalte brüllen. Zum Glück kam die Bahn, ich holte mein Kind ab und erhielt kurz darauf eine Live-Demo vom Universum zum Thema Kooperation und Beziehungen.
Was da zwischen mir und meinem Kind passierte gehört nicht ins Netz. Nur so viel: Ich bekam noch einmal bestätigt was ich sowieso schon weiß bzw. jeder von uns als Anlage in sich trägt:
Der Mensch ist von Anfang an gut. Das Leben ist kein einziger Kampf, es geht nicht ums Fressen und Gefressen werden, sondern um Kooperation und Unterstützung. Und um Mitgefühl.
Mitgefühl, Solidarität oder was Frau, Mann, Maus und Kind brauchen:
Wir haben alle nur verlernt dass es so ist und wie das funktioniert. Kinder wissen das noch, leider erfahren sie schon früh, dass das nicht erwünscht ist in unserem System. Unser schönes Selbst schrumpft, während wir Zentimeter um Zentimeter hineinwachsen in diese Welt. Nicht das wir uns falsch verstehen, ich habe nichts gegen Veränderung, aber: Wir verlernen offenbar irgendwann uns zu schätzen für das was wir sind, oder unsere Grenzen als etwas positives zu erleben. So werden wir erwachsen oder auch nicht – wir verändern nicht nur uns, sondern leider unsere Wahrnehmung. Wir unterscheiden nicht mehr zwischen gut und böse für uns, sondern Böse und Gut im anderen.
Auf diese perfide schleichende Weise wird aus einem Mitmenschen ein Feind. Ich übertreibe? Nein schaut euch doch mal um? Das fängt oft harmlos im Kindergarten an, geht rüde auf dem Schulhof weiter und endet im Büro oder am Abendbrottisch. Und wenn man sich nichts zu sagen hat, oder Kontakt zu jemanden sucht, dann gibt es ja juhu das Internet. Und dort?
Wenn der Feind oups Mensch kein Gesicht hat, keine Stimme, und uns nicht tatsächlich gegenüber ist, sitzt oder steht, dann können wir unaussprechliche Dinge tun. Doch: Das wurde schon den Bomberpiloten von Hiroshima zum Verhängnis.
Die Kommentarspalte im Internet: Kopf raus und ab
Im Internet fallen täglich Bomben in Kommentarspalten. Als BloggerIn bist du quasi ständig im Schützengraben, und musst dabei noch gut aussehen und Selfies bei Instagram hochladen. Und ganz schnell antworten, weil sonst fliegt dir schon der nächste Kommentar um die Ohren. Ich bin ja nicht so lange dabei und bewege mich in einer heimeligen Nische, aber wenn bei mir mal was los ist, oder ich mal bei Blogs mit mehr Reichweite vorbeischaue, kann ich nachvollziehen warum Andrea Nahes mal sagte: Man muss sich einen Panzer zulegen, um mit den Kommentaren klarzukommen.
Und während ich das schreibe denke ich: Verdammte Scheiße wieso? Wieso muss ich unsachgemäße Kritik aushalten, nur weil ich mich im Internet äußere? Ich verdiene noch nicht mal was daran? Wer verdient das überhaupt? Gehört das zum Bloggen?
Ich stelle mich quasi freiwillig an den Pranger und riskiere, dass mich manchmal kreischende mißverstandene Mütter und nicht Mütter und ein paar brüllende Männer (in meinem Fall alles meine Zielgruppe) mich mit Eiern, altem Salat und sonstigem Unrat (metaphorisch gesprochen äh geschrieben) bewerfen. Wo stand das? Im Internet-Kleingedruckten?
Das meine sehr verehrten Damen und Herren steht nirgendwo, noch nicht mal im den AGB’s von Facebook. Das muss keiner aushalten müssen, wollen, dürfen. Es muss allerdings auch kein Blogger auf solche Kommentare in der gleichen Weise antworten, selbst wenn D.A.N.I.E.L.A mir quasi die Wange hinhält und um Aua bettelt – ich zitiere:
“Auch wenn jetzt gleich der Shitstorm losgeht, ich finde das ewige Gejammer von den arbeitenden Müttern langsam nervig. Meine Meinung (ja ! wir leben in einer Demokratie und da darf man auch Meinungen äußern, die nicht dem Main Stream entsprechen !)”
Was im Internet, im Leben und der Liebe geht und was nicht:
Ich versuchte mich in diese mir völlig unbekannte Frau hineinzuversetzen. So fremd ist sie mir gar nicht, stellte ich fest. Es gibt sehr viel Gemeinsamkeiten zwischen uns. Sie sorgt für jemanden, sie ist überlastet, sie ist mit vielen Dingen allein, sie fühlt sich am Arbeitsplatz übergangen, sie engagiert sich jeden verdammten Tag im Büro und zuhause und hat gefühlt nichts davon. Es fehlt ihr Anerkennung, Respekt, Wertschätzung – das ist etwas was viele Frauen kennen. Wieso lässt sie dann aber ihre Wut an mir aus, bzw. kippt sie in meine Kommentarpalte? Wo wir doch eigentlich im selben Boot sitzen, beziehungsweise in der gleichen Lage sind.
D.A.N.I.E.L.A ist einfach ein Opfer des Systems. Das sind wir alle. Egal ob Frau, Mann, Maus oder Kind. Wir entfremden uns vom menschlichen mitfühlenden Kern, immer weiter je länger wir hier sind. Wieso ist das Benennen von schlechten Zuständen schon Jammern frage ich mich? Wir lernen schon so früh auszuhalten und gehen selbstverständlicher in die Auseinandersetzung mit anderen als mit uns selbst. Das ist kein Resilenztraining, das ist Leugnung und Abwehr. Wieso arbeiten wir uns Frauen eher aneinander ab, statt miteinander? Und gerade jetzt und hier?
Die Höhlenmenschen waren deutlich besser dran als wir neoliberale GefühlsneandertalerInnen des digitalen Zeitalters: Zwischen dem Keulenschwingen auf der Mammutjagd und der blutigen Auseinandersetzung um das beste Stück Fleisch, saßen die Frauen harmonisch zusammen in einer Höhle und entlausten sich, die Oma und die Kinder. Es gibt Frauen, die behaupten das war das erste beste und einzige Matriarchat, das je am Start war. Die große Mutter war immer und überall – ein natürlicher Zustand. Da müssten wir alle wieder hin? Nun ja: Ich finde ja Höhlen nicht so gemütlich. Ich möchte lieber in ein großes Spa ähnliches Kollektiv ziehen. Und müssen Frauen immer unter sich bleiben. Waren die Amazonen glücklich? Wer schneidet sich denn freiwillig die Brust ab und setzt seine Söhne aus? Und zieht ständig in den Krieg? Das ist doch nicht ok für die Haut und überhaupt? Wie auch immer ich schweife wieder ab:
Bei uns Frauen gibt es jedenfalls kein natürliches Zusammen mehr, sondern ein gewolltes Gegeneinander. Unsere Leistungsgesellschaft bringt uns in einen immerwährenden Wettbewerb um den oder das Beste: Bester Kerl, bestes Kind, bester Job, bester Po. Wir können nur gewinnen, wenn eine andere verliert oder schlechter ist oder bloß nicht besser aussieht als wir oder eben falsch liegt. Warum?
Warum kann ich nicht machen was ich will als Frau?
Warum muss ich mich zum Beispiel als Frau zwischen Kind und Karriere entscheiden?
Im Leben muss man nur eine wichtige Entscheidung treffen: Ein Mensch zu sein und man selbst zu sein, zu werden oder zu bleiben. Ein Leben in Würde und “Gleichwürdigkeit” – das ist der einzige Wettbewerb, den man als Frau mitmachen sollte. Dieses sehr einfache Prinzip kann man auf viele Bereiche des Lebens anwenden. Zum Beispiel auf die Kommentarspalten im Internet. Ich lerne da übrigens auch noch dazu.
Erst letzte Woche habe ich eine sehr geschätzte Blogger-Kollegin vor den Kopf gestoßen, weil ich einen Kommentar hinterlassen habe, der sie sehr getroffen hat. Dabei war das gar nicht meine Absicht. Ich stieß übrigens nicht nur der Bloggerin vor den Kopf, sondern in ein Wespennest, weil andere LeserInnen das als Startschuss nahmen ziemlich unangemessen zu kommentieren. Kommentar-Kollaterlal-Schaden nennt man sowas wohl. Passiert.
Ich zog mich erstmal in die Schmollecke auf meiner Facebookseite zurück und jammerte ein bisschen in meiner Community. Ich bekam Trost und Zuwendung. Ich mag meine Zielgruppe.
Man schenkte mir Aufmerksamkeit und Mitgefühl, und plötzlich meldete sich sogar die Bloggerin mit der ich ein bisschen aneinander geraten war. Wir tauschten uns hinter den Kulissen aus, ich erfuhr ganz viel über jemanden – ich konnte mich plötzlich sehr gut in ihre Lage versetzen – das öffnete mir die Augen und ließ eine ganz andere Sicht auf die Dinge zu.
Das Gute am Internet und den Kommentarspalten ist ja, dass man zurücknehmen kann, was man gesagt hat. Das geht im wirklichen Leben auch. Man kann sich entschuldigen. Man kann nicht ungeschehen machen, was passiert ist, aber man kann einlenken, etwas bearbeiten oder besser noch löschen. Das habe ich getan. Schon oft. Und man kann sich finden. Immer wieder. Das ist die hohe Schule der menschlichen Existenz.
Diese Kommentar-Lektion vom Wochenende und der Nachmittag mit meinem Kind gestern waren sehr gut für mich. Ich konnte besser verstehen warum Daniela wütend ist auf Mütter. Und ich verstand noch etwas: Warum wir Frauen nicht schon so gleichberechtigt sind wie wir es eigentlich sein müssten. Wir unterstützen uns zu wenig. Wir bleiben in unseren Höhlen bzw. in unseren Kreisen.
Die Mütter mit Mann, die Mütter ohne Mann, die Frauen ohne Kind mit Karriere, die Frauen ohne Kind ohne Karriere mit Hund oder ohne, die Mittelalten, die jungen Frauen, die ganz Alten, die alles schon erlebt haben und seufzen: Wird sich eh nix ändern.
Doch Schnuckis – legt den Besen hin und das Smartphone aus der Hand, hängt euch den Nachwuchs um, oder den Hund, parkt die hochbetagten Eltern beim Bruder, der sich auch mal kümmern kann, schickt den Gatten zu Tommys Tobewelt, oder ins Ferienlager, falls einer da ist und wenn keiner da ist auch egal – whatever STAND TOGETHER UND ERHEBT EUCH FÜREINANDER VERDAMMTE SCHEISSE !
Hier übrigens noch meine Antwort an D.A.N.I.E.L.A:
Also Daniela: ja wir leben in einer Demokratie schön dass wir uns da zumindest einig sind. Und ich glaube es wird hier keinen Shitstorm geben, ich schenke Dir Aufmerksamkeit und Wertschätzung von Frau zu Frau. Das fehlt uns nämlich sehr in unserer Demokratie, und Mitgefühl und Anerkennung für die Leistung von Erziehungsarbeit-UND SORGEarbeit. Davon hättest du auch etwas, das ist nämlich wahrscheinlich mit ein Grund, warum Deine Kolleginnen sehr gern die Mutter-Kind-Kur in Anspruch nehme, oder Du auch dringend in Kur gehen solltest. Wahrscheinlich kannst Du das nicht, weil alles an Dir hängt zuhause. Ja das Gefühl kenne ich sehr gut. Als Alleinerziehende Mutter bist Du ganz oft im Arsch und am Arsch der Nation oder Demokratie, wie auch immer man das nennen mag. Kinder oder Karriere? Ah ja interessante These. In Frankreich wäre jetzt ein Shitstorm losgegangen und in Schweden? Hui hui hui. Gut dass wir in Deutschland leben und im Jahr 2017. Ich finde hier und heute müssen sich Frauen, wenn überhaupt nur für eines entscheiden: SOLIDARISCH ZUSAMMENZUSTEHEN. Und wir sollten alle offen miteinander reden in dieser (noch) demokratischen Gesellschaft, über das was Belastungsgrenzen sind und Schmerzgrenzen und das das überhaupt rein gar nichts mit Jammern zu tun hast. Wenn wir das verstanden haben oder könnten, dann wärest auch du weniger unter Druck. Vielleicht hättest Du gewagt zu sagen: ICH KANN NICHT DIE PFLEGE MEINER ELTERN ÜBERNEHMEN UND KARRIERE MACHEN ABER ICH WÜRDE GERN BEIDES MACHEN! Oder du tust es irgendwann bevor nichts mehr geht? Es wäre schön wenn das irgendwann selbstverständlich wäre in unserer Demokratie – und zwar nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Soweit zu meinem wahnsinnig reflektierten gut gemeinten Kommentar zu Deinem hoffentlich wenigstens ebenso gedachten. Und nun zum Wesentlichen Kern meiner Antwort auf Deinen Kommentar: Wo arbeitest Du – ich würde mich gern bewerben. Und in welcher Krankenkasse sind Deine Kolleginnen, weil wo kann man den bitte so oft in Kur gehen, das sind ja paradiesische Zustände für arbeitende Mütter bei Euch, hier ist das nicht so – sorry bin schon wieder am Jammern
Ich wünsche uns allen einen schönen Tag. Hebt den Kopf Ihr stolzen Superfrauen. Schaut Euch an und tätschelt Euch zärtlich die Wangen, statt Euch ins wunderbare Gesicht zu schlagen. Seid was ihr seid: WILD, KLUG UND EINZIGARTIG UND FÜREINANDER DA EGAL OB AM HERD ODER IM BÜRO.
Hier noch mal mein Schätzchen, damit auch alle mitreden können:
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Kommentare von Notyetaguru
Ein Wochenende in Worten:
Danke Falk!
Ein Wochenende in Worten:
Bitte meine Liebe und ich danke für Deine Worte!
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Welche Ehre vielen Dank!
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