Zu Winnetous Schwestern hab ich viel positives Feedback bekommen. Und ein seltsames, von einer Frau. Sie echauffierte sich in einem Profil bei Facebook in dem mein Artikel geteilt wurde. Sie schrieb folgenden Kommentar:

Deutschland wird von einer Frau regiert, England wird von einer Frau regiert, in Frankreich greift eine Frau nach dem obersten Amt und in Amerika ist eine Frau nur an ihrer Korruptheit gescheitert, sonst würden die USA auch von einer Frau regiert werden. Trotzdem scheinen Frauen nichts Besseres zu tun zu haben als über ihre scheinbare Erfolglosigkeit und deren Gründe zu heulen. Mädels, ihr habt einen massiven Knall!

Mein alter Mathelehrer hätte wahrscheinlich q.e.d. ? unter diese vier Zeilen geschrieben. In roter Tinte. In Facebook gibt es sowas leider nicht. Wahrscheinlich weil Facebook dann total rot wäre. Wer möchte schon die ganze Zeit ein Flimmern vor den Augen haben?

Was wir von Kirschen lernen können

Ich hab gar nichts gegen Rot. Es ist eine tolle Farbe. Auf dem Kopf und in der Geschichte:  Rot und Purpur Rot sind die Farben der Macht. Rot ist ein starkes Signal. Eine Symbolfarbe im Kampf gegen Missstände und Unterdrückung. Ging manchmal nach hinten los – ok. Aber: Rot ist auch die Farbe der Liebe. Ich sage nur Valentinstag-Deko-Inferno kürzlich im Supermarkt ihres Vertrauens. Und erst als Lippenstiftfarbe! Der Knaller. Für alle Frauen was dabei.

Mein Lieblings-Rot ist ein klares, kräftiges Rot ohne Rosastich oder Blauhauch – so in etwa wie die Maraschino-Kirsche, die selig in einem Whisky Sour schwimmt. Als vergleichender Farbname heißt es Blutrot nach der Farbe des frischen arteriellen Blutes, sagt Wikipedia. Romantisch ja ich weiß. Rot hat ganz viele Schwingungen von hart bis zart – und genau das macht es ziemlich erfolgreich, quasi zum zeitlosen Klassiker an dem niemand vorbeikommt!

Bestes Beispiel die Maraschino-Kirsche im Whiskey Sour. Barkeeper und Frauen wie ich, die beruflich mal eine Weile sehr viel trinken mussten, wissen: Sie dümpelt manchmal am Glasboden, aber man sollte sie nie unterschätzen: Sie hat einen Hammer-Alkohol-Gehalt. Will man Männer, die genetisch bedingt mehr Alkohol vertragen als Frauen, unter den Tisch trinken, empfiehlt es sich die Kirschen nie mitzuessen. Man schießt sie am besten unauffällig hinter die Bar (und gibt dem Barkeeper ein üppiges Trinkgeld).

Mythos Erfolgsfrauen: Die Männer-Gnaden-Quote

Erfolgreiche Frauen trinken vielleicht keinen Alkohol, und tragen nicht immer blutroten Lippenstift, aber sehr oft rote Blazer. Sie heben sich dadurch von der grauen Masse der Anzugsträger ab. Stichwort Gruppenfoto auf Business-Veranstaltungen. Mit sowas kenne ich mich aus. Ich dachte oft: “Der Frau steht leider überhaupt kein Rot, aber immerhin eine von uns, und man sieht sie überhaupt.” Aber das ist ja vorbei. Ich muss mich nicht mehr grämen.

Wir Frauen sind schon überall an der Macht und sehr erfolgreich. Uns hält keiner auf – wir sind ganz oben. Mir entfuhr beim zweiten Lesen dieses Satzes selbst in kleines Hä?  Ich nehme ihn aber nicht zurück ÄTSCH! – weil siehe oben zitierter Kommentar. Ich habe mich jetzt mehrere Tage intensiv damit beschäftigt, ob die Frau, die unter meinen Artikel diesen Protest-Kommentar gesetzt hat, Recht hat? Und ich muss leider sagen:

HASTE NICHT MÄDEL!

Ich weiß aber jetzt ganz viel über die Karrieren von Theresa May, Marine le Pen, Hillary Clinton. Dafür danke ich Ihr an dieser Stelle recht herzlich. Über Angela Merkel wusste ich vorher schon Bescheid.

All diese Frauen beweisen leider nur, was ich insgeheim befürchtet habe: Die sind auch so weit gekommen wegen der Männer. Alle Frauen, die gegen die Quote wettern, müssen jetzt ganz stark sein: Es gibt sie nämlich schon längst.

I proudly present: Die Männer-Gnaden-Quote. So ein schönes Wort – ja ich weiß! Ich fasse meine Recherchen zusammen:

Theresa May macht die Putzfrau, und räumt das auf, was ihr die Vorgänger hinterlassen haben (und darf dabei extravagante Schuhe tragen). Hillary Clinton war und ist die Frau von Bill Clinton (sorry Hillary ist so). Marine le Pen ist die Tochter von dem Le Pen (Pech für Europa). Und Angela Merkel ist mal Kohls Mädchen gewesen (und wurde total unterschätzt).

Superfrauen, Supertöchter: Wer bei uns Karriere macht

Aber es gibt doch so viele andere leuchtende Beispiele mit oder ohne roten Lippenstift, Blazer oder Schuhe? An der Macht und in der Politik? Ursula von der Leyen ist Verteidigungsministerin? Ja. Das ist Wahnsinn. Wir fahren jetzt sogar Panzer. In der Tat: Ursula hat mit ihrem Vater, einem ehemaligen Ministerpräsidenten, viele Jahre Hausmusik gemacht (ich habe die Platte gehört!). Sie hat sieben Kinder, und einen Mann, und Personal und lebt auf einem Gut, dass ihrem Vater gehört hat. Ja sie ist ein Vorbild. Ursula hat viel richtig gemacht, weil sie nicht viel falsch machen konnte.

Wäre Ursula auf einem benachbarten Bauernhof groß geworden ohne Hausmusik, hätte zwar einen Mann beim Studium getroffen, aber nicht behalten, hätte sie dann zu Ende studiert mit oder ohne Kind und Familie im Rücken? Wäre sie auch über Umwege in die Politik gekommen? Ich weiß es nicht. Ich kann auch jetzt nicht mehr darüber nachdenken, weil ich muss putzen (und alte Lippenstifte aussortieren)

Und das ist ein gutes Stichwort: Wir brauchen mehr Strukturen, die uns ermöglichen nach oben zu kommen, egal wo wir herkommen, egal ob wir Kinder haben oder nicht – und egal mit oder von wem. Solange das nicht selbstverständlich ist, bleiben Frauen auf Big-Boss-Gruppenfotos leider das was sie zur Zeit vor allem sind: Ein schöner Farbtupfer. Der ziemlich gut ins Bild passt. White Woman Gatekeeping braucht kein Mensch und erst Recht keine Frau.

Was nützt uns bitte eine Karriere-Frau im Panzer, während viele Frauen zeitgleich mit dem Kinderwagen durch die Elternzeit rollen, und danach allzu oft mit Öffentlichen Verkehrsmitteln zum zuständigen Arbeitsamt fahren?

Diese Superfrauen-Supertochter-Panzerfahrerin-Geschichten sind für mich leider keine guten Beispiele, denn sie zeigen mir nur, wie viel Glück immer noch dazu gehört, als Frau so weit zu kommen. Sie sind rühmliche Ausnahmen:

Sie spiegeln in keiner Weise die Realität in der berufstätige Frauen sich immer noch bewegen, vor allem nicht die der Mütter. Ist so. I am so not sorry.

Darauf einen Whiskey Sour hätte ich jetzt fast geschrieben! Geht auf Ursula. Nein natürlich nicht: Viel zu früh und ich muss noch einen Lego Panzer zusammenbauen.