rein theoretisch ist alles gut

Winnetous Schwestern: Warum Frauen nie so weit kommen wie die Männer

Ich saß mal ziemlich stolz auf dem Pferd. Nein nicht so ein großes Schaukelding – ein echtes. Ich liebte es sehr. Ich hatte es mir selbst ausgesucht. Es war Liebe auf den ersten Blick damals beim Pferdehändler. Leider kamen wir nicht wirklich gut miteinander klar auf Dauer. Das realisierte ich aber erst, als ich zum wiederholten Male mit dem Kopf in den Sägespänen lag. Beim Händler war es noch lammfromm.

Winnetous Schwester, Brigitte Bardot und ich:

Ich war 12, was weiß man da schon groß vom Leben. Und als ob das alles nicht schon kompliziert genug war, teilte ich mir eine Weile das Zimmer mit meiner Cousine. Sie wohnte vorübergehend bei uns. Sie war 4 Jahre älter und eine Pferdemädchen-Totaloffenbarung: Unerschrocken kletterte sie auf mein wildes Pferd, und sah dabei aus wie Brigitte Bardot meets Winnetous Schwester. Ich tappte in dieser Zeit zum ersten Mal in die typische Frauen-Falle: Entsolidarisierung.

Die Frauenfalle – wer vom Pferd fällt hat selbst Schuld:

Anstatt mich mit meiner Cousine zu verbünden, und sie zu bitten, mir mit dem verdammten Gaul zu helfen, hasste ich sie. Dafür, dass sie besser reiten konnte als ich – und alle Jungs total auf sie flogen. Völlig normal: Frauensolidarität oder Schwesternschaft wird uns nicht sonderlich vorgelebt. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass sich in unserer Familie die Frauen besonders nahe standen. Es wird uns eher beigebracht miteinander zu konkurrieren.

Meine Cousine tappte übrigens in die gleiche Falle: Sie hätte mir zum Beispiel aufs Pferd helfen können. Hat sie nicht gemacht, stattdessen ist sie selbst raufgeklettert. Von ihrem Standpunkt völlig verständlich: ich war die kleine ängstliche Cousine. Ich lag ständig in den Sägespänen oder versteckte mich auch mal im Klo, wenn ich mit meinem Pferd mit zum Ausritt sollte. Ich war eine Gefahr für ihren Status.

Blutsbrüder  – warum die Kerle vor uns in den Sonnenuntergang reiten:

Was wäre gewesen, wenn meine Cousine und ich Cousins wären? Hätten wir uns feixend in den Sägespänen gekugelt? Ich glaube ja. Frauen helfen sich nicht so selbstverständlich aufs Pferd wie Männer. Vorbehaltlose Solidarität gibt es bei uns – wenn überhaupt – im oder kurz nach Sägespänen-Moment. Soll heißen: Wenn Frauen mit dem Gesicht nebeneinander auf dem Boden liegen, helfen sie sich eher auf. Die Schwachen helfen den Schwachen. Nur was nützt uns das?

Als Kind habe ich total gerne Western gesehen. Ich war fasziniert, wie schnell sich Cowboys und Indianer in Sicherheit bringen, wenn einer von ihren Buddies vom Gaul fällt. Schwupps Hand raus und hoch – mitgezogen, rausgeholfen. Quasi im Galopp wird jemand davor bewahrt, niedergetrampelt zu werden oder skalpiert oder erschossen. Die bleiben alle zusammen, da wo sie hingehören: OBEN!

Warum liegen bei uns Frauen so viele im Sand, während eine oder zwei von uns wie Winnetous Schwester in den Sonnenuntergang reiten?

Das ist nicht so? Nun ja stimmt: Bis Old Shatterhand kommt, dann bekommt sie Kinder, sitzt zuhause und heult – oder macht Teilzeit, die ihr Grundsicherung im Alter beschert (und heult), aber ist halt selber schuld, weil hätte sie mal lieber Winnetou genommen – hallo der war ihr Bruder? Wieso braucht sie überhaupt einen Mann, um im Leben und wilden Westen klar zu kommen?

Tja. Und jetzt? Lösung?

Sie bekommt einfach keine Kinder, und reitet in den Sonnenuntergang – allein? Und macht 7 Kinofilme bis sie vom Pferd fällt?

Nein liebe Frauen: Winnetous Schwester kommt gar nicht lange vor. Old Shatterhand schafft viel mehr Filme (der überlebt übrigens auch Winnetou, der ist allerdings weiß und mittelalt, aber das ist das falsche Thema). Die Buddies reiten gemeinsam in viele Sonnenuntergänge,  ja manchmal ist auch ne Frau dabei – doch nur kurz. Übrigens: sie hat meistens keine Kinder und ist Jungfrau.

Stutenbissigkeit & Co – wie Frauen sich demontieren:

Die erzählt mir doch was vom Pferd, denken jetzt einige? Nein mit der geht auch nicht der Gaul durch, aber der langt es einfach langsam.

Ich haue jetzt mal auf den Tisch meine Damen. Heute habe ich durch Zufall wieder so einen Attacke-Artikel gelesen. Ich konnte ihn nicht vollständig lesen, weil ich keine Welt-Abonnentin bin. Aber mir reicht schon der erste Absatz. Oder der Titel. Der heisst: Moderne Frauen: “Ich schäme mich für mein Geschlecht”. Die Autorin fasst den Besuch bei einer Veranstaltung zusammen, die von Barbara Schöneberger moderiert wurde. Eine Studie zu arbeitenden Müttern wurde von irgendeinem Konsumgüterhersteller in Auftrag gegeben und vorgestellt.

Das Auditorium bestand aus Frauen. Ich vermute mal, dass die nicht besonders zufrieden sind (falls sie arbeiten). Und Barbara Schöneberger war es wohl auch nicht, ob das nur zur Moderation gehörte erfährt man nicht. Ist auch egal: Sie steht jedenfalls auf der Bühne und “(…)ist dabei Gallionsfigur dieser latent unglücklichen Frauenwelt”.  Dabei – da ist sich die Verfasserin des Artikels klar – sind die Frauen eigentlich selbst schuld. Nun ja für die Moderatorin können sie bestimmt nix, denn ich schätze mal, die hat der Veranstalter bezahlt. Und Barbara Schöneberger ist eine gute Wahl. Und vor allem ist eine Frau auf dem Podium. Ja allein das ist schon gut, denn es stehen immer noch mehr Männer da oben. Dieser Satz über Barbara Schöneberger und “die” Frauenwelt muss der sein?

Was Frauen brauchen (nicht Old Shatterhand):

Ich mag so etwas nicht. Ich mag es nicht lesen und hören. Ich glaube wir Frauen sollten aufhören, uns zu verurteilen. Und über Frauen zu reden oder zu schreiben, als müsste man sich schämen, dass man selber eine ist, nur weil sie nicht so sind, wie wir? Was sagt das? Warte ich komme nicht drauf, ist schon so spät. Ich habe mal ein sehr spannendes Interview in der Zeit gelesen mit einer Schriftstellerin namens Petina Gappah. Es trug den sehr wahren Titel: Frauensolidarität? Ein Mythos. Ja in der Tat. Warum pinkeln wir Frauen uns in aller Öffentlichkeit ans Bein. Ist das ein verzweifelter Versuch mit den Männern mitzuhalten, die das an Bäumen üben, sobald sie laufen können? Während wir sitzen müssen? Wozu will ich das können?

Ich frage mich das im Ernst. Gibt es da Studien zu, die in Auftrag gegeben worden sind, von einem bekannten Konsumgüterhersteller? Ich möchte sie bitte haben. Ich schlafe dann ruhiger. Wir alle. Wieso schreibt eine Frau in einer großen Zeitung so einen Artikel? Ein männlicher Journalist würde niemals schreiben: “Ich schäme mich für meine Geschlechtsgenossen” und dann geht es über Vereinbarkeit oder im weitesten Sinne Karriere. Weder in der WELT, noch im Spiegel, in der BILD – auch nicht in der CT’. Im Playboy? Nein auch da nicht. Müssen sie auch nicht, weil die haben ja keine Probleme mit sowas. Frauen verdienen wirtschaftliche Unabhängigkeit, ohne dass sie dafür mit dem “richtigen” Mann zusammen sein müssen, vor allem wenn sie Kinder haben. Und wenn sie sauer sind, dass das nicht geht und den Mund aufmachen, und dafür eine Bühne bekommen, ist das gut. Für alle Frauen. Auch die ohne Kinder.

Solidarität bringt Blockbuster – wir haben 170 Jahre Zeit zum Üben:

Ich kann nicht glauben, dass eine Frau öffentlich sagt: Sorry Frauen selber schuld, wenn es als Mutter nicht klappt mit der Karriere, dann sucht euch halt aus, mit wem ihr euch vermehrt, ansonsten beschwert euch nicht? Mit so einer Argumentation höhlen wir unsere Rechte und Chancen am Arbeitsmarkt aus, statt sie selbstverständlich einzufordern und auch zu bekommen:

Liebe Mitschwestern, Stuten, Zicken und wer auch sonst noch mit Uterus: Ohne uns gäbe es nur noch der letzte Mohikaner im Kino. Hat davon irgendjemand Teil 2 gesehen? Eben. Die brauchen uns! Warum machen wir daraus so wenig? Wegen OLD Shatterhand?

Und jetzt halten mal alle Überflieger-Frauen, die auf ihrem hohen Roß Richtung Sonnenuntergang reiten, kurz inne. Sie galoppieren bitte nicht die Squaw oder Siedlerfrau nieder, die da im Sand liegt, weil Old-Shatterhand oder wer auch immer mit dem Gaul durchgegangen ist.

Sie halten ihr die Hand hin – und reichen ihr eine Haarbürste, vorher helfen sie ihr aufs Pferd – auch wenn Old Shatterhand gerade am Horizont nach ihnen winkt. JA! Und Achtung gerade (!) dann, wenn er die goldene Aussicht auf eine gleichberechtigte Partnerschaft inklusive entzückender Kinder und gemeinsamer Eigentumswohnung ins Sonnenlicht hält. Oder sonstige Goodies. 

Eine sehr kluge Frau namens Barbara (nein nicht die Schöneberger) hat mal ihre Mutter zitiert: “Eine Frau ist immer nur einen Mann weit von der Armut entfernt”. Das sagte eine Wirtschaftswunderfrau. Gilt heute immer noch? Na dann: Gute Nacht –  ich reite jetzt in den Sonnenuntergang mit meinen imaginären Schwestern. Wir können es ganz ruhig angehen lassen. Laut Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums dauert es noch 170 Jahre bis zur Gleichberechtigung. Muss mal die Schöneberger fragen, ob sie die Studie damals auch vorgestellt hat.

PS: Bei der Welt gibt’s ne Schwester! Im Ernst: Sie heisst Kathrin Spoerr und hat ihrer Kollegin vor allem eines gewünscht:

https://www.welt.de/vermischtes/article162162262/Ich-wuensche-meiner-Kollegin-dass-sie-Kinder-bekommt.html

Ich hätte daraufhin fast vor Schreck das kostenlose 30 Tage Angebot von WELTplus ausgewählt. Trotzdem Danke Kathrin, ich stecke Dir hiermit eine Feder ins Haar, obwohl ich den Artikel gar nicht ganz gelesen habe!

 

 

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