Heutzutage ist das einfache Leben ganz schön kompliziert. Ernährung zum Beispiel. Was früher so nebenbei lief hat inzwischen wahnsinnig viel Bedeutung. Das ist nicht unbedingt schlecht, wahrscheinlich würde sehr viel Elend in der Welt verschwinden, wenn die Leute im Supermarkt oder im Fastfood Restaurant einfach mal das Kleingedruckte lesen. Wenn man nämlich realisiert was in schmackhafter Barbecuesauce so alles drin, oder wo die herkommt, würde man diese nicht kaufen, geschweige denn essen. Egal wie günstig sie auch ist. Das Gewissen, der Magen und der gesunde Menschenverstand würden befehlen: BIST DU IRRE – KAUF DAS AUF GAR KEINEN FALL! Das ist zumindest sehr einfach. Ansonsten ist Essen anscheinend wahnsinnig kompliziert. Für mich zum Beispiel, weil mein Kind nicht alles essen kann.

Aber auch für Menschen, die weder eine Gluten Unverträglichkeit haben, noch Nussallergiker sind, Fleisch vom Biobauern kaufen können, rohe Kuhmilch vertragen und sehr gut verdienen, ist Essen alles andere als einfach. Wenn man überhaupt noch was essen kann, dann muss es clean sein. Clean Eating ist das ganz große Ding. Bei Instagram tummeln sich sehr viele Menschen, die diese Form der Ernährung zu ihrem #hashtag und damit Lebensinhalt gemacht haben. Sie schreiben Bücher, halten Vorträge und posten ihre Kreationen und diverse Mahlzeiten bei Instagram.

Essen wird nicht mehr genüsslich verzehrt, sondern in Farben zerlegt und geschichtet. Bis auf den Instagramfilter ist alles echt – natürlich. Und dann sitzt du da vor der alten Keramikschale deiner Oma, die schon 2 Weltkriege überstanden hat. Bis eben war alles tutti – bisschen unaufgeräumt aber gemütlich und warm. Das ganz normale einfache Leben mit gutem Essen. Und dann geht es los: Dein süßer Haferbrei, in den du gerade noch gierig deinen Löffel getaucht hast, verwandelt sich in eine unansehnliche Masse. Vor einigen Jahren wäre das der Anfang vom Ende gewesen. Mein Tag und mein Essen: VERDORBEN. Inzwischen ist das anders. Solche Augenblicke des Zweifels nehme ich gelassen wahr und löffele sie weg. Stattdessen frage ich mich: Wieso muss Essen überhaupt clean sein. Ist Essen eine Sucht? Sind wir alle Ex-Junkies? Was ist das für ein komischer Trend?

Während ich also meinen mausgrauen Haferbrei in mich hineinschaufele, und dabei feststelle wie gut sich Vanille mit einem Hauch Zimt verträgt, überlege ich wie es mit meiner Ernährung so aussieht und was clean eating eigentlich ist? Nach zwei Schüsseln Haferbrei komme ich zu dem Schluss, das bei mir zwar nix clean aussieht, aber alles in Ordnung ist und schmeckt. Ich esse immer schon so wie es sein sollte. Das verdanke ich keinem Trend, sondern meiner Mutter. Im Grunde genommen heißt Clean Eating: Einfach gut essen.

Meine Mutter schleppte mich zweimal in der Woche zusammen mit einem großen Korb auf den Markt. Wir haben dort Gemüse eingekauft, Brot und alle paar Wochen auch mal Fleisch von einem Bauern. In der Regel landeten nur regionale und saisonale Produkte im Korb. Das war’s. Bei uns gab es keine Fertignahrung, außer Ketchup – und mein Bruder hatte eine nicht nachvollziehbare Schwäche für Mirácoli über die meine Mutter großzügig hinwegsah. Mirácoli kaufte man im Supermarkt und alles was man sonst noch braucht: Reis, Nudeln, Mineralwasser, Wäscheklammern. Das war einfach so und nicht besonders kompliziert.

Meine Mutter machte daraus kein Gewese. Sie pendelte zwischen Wochenmarkt und Discounter. Sie kochte – einfach, gut, gesund und mit großer Freude. Mit der gleichen Freude aßen wir, weil es immer schmeckte. Das ist so geblieben. Ich ernähre mich noch heute so, mit dem kleinen Unterschied, dass ich bestimmte Lebensmittel vom Speiseplan streichen muss, weil mein Kind sie nicht verträgt. Ansonsten alles ganz einfach. Deswegen mache ich mir jetzt einen Smoothie. Und danach esse ich ein Croissant mit echter Butter von meinem Bäcker, weil ich nämlich schon seit 6 Uhr wach bin. Der Duft frischer handgemachter Backwaren wabert seit dem Morgengrauen über meinen Hinterhof. Ich hing mehrfach am offenen Fenster – bis jetzt. Nun halte ich es einfach nicht mehr aus. Zum Glück war ich noch nie clean. In diesem Sinne füllt Euch die Körbe und die Bäuche.