rein theoretisch ist alles gut

Kinder des Zorns: Was Wut mit uns macht

Mein letzter Artikel wurde sehr oft geteilt. Plötzlich lesen mich Menschen, die mich wirklich nicht kennen – und sie schreiben mir. Das ist gut – und dann auch wieder nicht, denn ich erhalte auch Kommentare, die ich weder verdiene noch verstehe.

Offenbar kommt mein Artikel nicht bei jedem an. Mittlerweile weiß ich zum Glück, dass man es nicht jedem Recht machen kann und muss.

Dieser Blog ist vor allem für mich. Ich schreibe hier über Themen, die mir am Herzen liegen und das persönlich. Eine Art Tagebuch in der Öffentlichkeit, das was Blogs mal waren. Ich teile mit Euch, weil ich glaube Ihr habt was davon. Ja ist mein Ernst – praktizierte Nächstenliebe 4.0 – für irgendwas müssen die Jahre auf der Nonnenschule ja gut gewesen sein.

Im letzten Artikel also ging es um ein ganz wichtiges Thema: Väter – im Guten wie im Schlechten. Ich habe diesen Beitrag nicht nur für mich geschrieben, sondern als Antwort auf einen Artikel auf einem sogenannten “Maskulisten”-Blog. Ja so etwas gibt es, ich war selbst ganz überrascht.

Dort tummeln sich Männer, die eine Meinung haben und sich nicht scheuen diese kundzutun. Fast wie bei mir hier- nur ich bin halt kein Mann, sondern gehöre zum “schwachen” Geschlecht – und meine Leser sind in der Mehrheit Frauen. Auf diesen Seiten herrscht ein ziemlich rüder Umgangston. Mein Kind würde sagen: “Alter ist das krass!”. Das ist in unserem Haushalt schon das Ende der Ausdrucks-Fahnenstange. Wir haben eine Fluch-Kasse, und während das Geld in das Sparschwein fällt, sprechen wir darüber, was diese Wörter bedeuten. Plöng. Wenn mein Kind so über Frauen sprechen würde, wäre ich reich und zu Recht panisch.

Ich bin ja nicht nur panisch. Ich bin auch ehrlich:

Ich habe mit Schrecken festgestellt, dass ich mit vielen Männern, die sich auf  diesen Seiten tummeln, etwas gemeinsam habe: den Zorn und den Schmerz.

Allerdings gehe ich inzwischen anders damit um.

Ich habe mich mit meinem Schmerz intensiv auseinander gesetzt, ich weiß deshalb: Der Schmerz, Freunde, ist quasi der Papi oder die Mutti vom Zorn – je nachdem welches Chromosom man hat oder eben nicht:

Vor zwei Tagen habe ich einen Kommentar bekommen, er war überschrieben mit “Audiatur et altera pars”, das fand ich vielversprechend. Er kam noch dazu von einem Mann, der offenbar Latein kann, auch dies ist – in der Tat – immer vielversprechend. Rein theoretisch.

Manchmal ist es aber so, dass es dann nix wird in der Praxis. In diesem speziellen Fall kam nach der Überschrift nämlich der Abatz:

Hallo „notyetaguru“, das Verhalten Deines Vaters ist absolut nicht OK.
Allerdings möchte ich Dich bitten, hier nicht zu verallgemeinern und nur die Männer als feige und asoziale Arschlöcher darzustellen.
Es gibt auch noch die andere Seite.

Wenn ich eine Erzählung im Stil der Deinigen herunterschreiben wollte, dann müsste sie wohl mit dem Satz „Ich bin der Ex-Freund einer Psycho-Schlampe.“ beginnen.

Und in diesem Moment war mir klar, dass mein Artikel – Oh Gott – offenbar anders verstanden werden kann, als er gemeint ist – und ich aber – Juhu – in jedem Fall weiter bin als gedacht und einige Männer:

Ich bin nicht mehr so zornig auf das was mir passiert ist. Diese Erkenntnis wuchs mit jedem Satz, den ich von dem Mann, der Latein kann, las. Ich werde diesen Kommentar hier nicht veröffentlichen. Das tue ich, weil ich das darf, weil das ist hier mein Wohnzimmer quasi. Hier wird niemand beleidigt – auch und vor allem nicht in den Kommentaren #YesHirnNoHatespeech. NOPE!

Aber ich tue das auch, weil ich den Mann schützen will (sorry ich bin halt doch Helikoptermutti).

Vielleicht hat er irgendwann Abstand gewonnen, bzw. sich damit auseinandergesetzt und das Thema soweit bearbeitet, dass er loslassen kann. Ich ergreife mit dieser Entscheidung nicht Partei für die Exfreundin, denn wenn stimmt, was da steht, dann ist Alexis aus dem Denver Clan eine Waisenknäbin gegen die bzw. Agrippina ein echtes Seelchen (Insider für Menschen mit Latinum). Ja es gibt auch schreckliche Frauen. In der Tat – wahrscheinlich machen die alle kein Yoga und färben sich die Haare zu oft? Aber das rechtfertigt keine Beleidigungen wie Psycho-Schlampe. Nope. Niemals nie nicht.

Eine Beleidigung ist keine Meinung.

Lieber Mann, der Latein kann: Ich verstehe, dass Du zornig bist, aber das musst Du nicht sein. Du kannst entscheiden, wie Du damit umgehst und was Du daraus machst.

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